Ewig hab ich nicht mehr geschrieben, nicht mehr die Innenwelt und Außenwelt mit der Sprache erforscht.
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Nach Hause, du gehst schon? - Ja, ich bin müde.

Ich möchte nicht mehr bleiben, zu viele Leute, und überhaupt ist mir alles zu viel hier. Viel zu fremd sind mir die Leute, wenn auch nicht ihre Gesichter. Vielleicht bin auch ich es, die fremd ist, selbst meinem Vater gegenüber, auch wenn er sich jetzt um mich zu sorgen scheint. Nein, Wein, der mir sehr schmeckt, dessen Säure sich bereits spürbar in meinem Magen verbreitet hat, ich habe eigentlich genug, auch von den Oliven und Brot an den kleinen Stehtischen hier. Mit Flecken überzogene weiße Tischtücher, Zahnstocher und Flaschenkorken darüber gestreut: die Tische zeigt sich etappenweise zwischen den davor stehenden Gästen immer als gleich. Ich gehe jetzt. Und habe Das Gefühl, aufgespießt zu sein. Den Namen dafür habe ich mir aus einer früheren Zeit abgeschaut: er kam mir einmal, als ich einen auf einen Stab gesteckten Ball gesehen habe, irgendwann als im Auto meines Vater saß und er mit mir wohin fuhr, ich schätze, ich war damals sieben oder acht Jahre als. Der Ball hatte seine ursprünglich runde Form verloren, der Stab bohrte sich hinein, steckte in einer verschrumpelten Kugel. Er war einmal rot, von der Sonne ausgebleicht. Dieses Bild des aufgespießten Balls behielt ich in Erinnerung. In verschiedenen Situationen kommt es mir immer wieder in den Kopf, auch jetzt. Stäbe, die Bögen der Geigen; ob sie mir die Erinnerung an den Stab mit dem Ball heute beschert haben? Die Geigenspieler mit ihren geneigten Köpfen? Oder ich, auf Geigenbögen aufgespießt. Ich möchte zerlaufen.

Auf Wiedersehen – ach, du gehst schon? Gute Nacht!

Ich kehre dem Abend den Rücken, hole meine Jacke. Meinem Vater winke ich nur aus der Ferne zu. Unterbrochene Gespräche wären mir unangenehm, so weiche ich aus, dränge mich zum Eingang. Ich mag die Türen, die Glastüren, die mich und das hinter mir trüb und leise reflektieren, viel zu kurz nach diesem langen Abend.
Draußen habe ich schon alle Gespräche, die man mit mir geführt hat, vergessen. Ich will sie mir nicht vergegenwärtigen am Heimweg, ich denke, unbestimmt, zurück und nach vor, an den Klang der Stücke, die gespielt wurden. Vieles war mir unbekannt. Und schön waren waren sie, schön angezogen, Anzug, Abendkleid, festliche Garderobe. Ich mochte mein Kleid, aber in der Menge sah es nicht gut aus. Es wurde erschlagen, dort war viel zu viel auf einem fleck. Aber wann sonst sollte ich es tragen. Das Gehen fiel schwer in diesem Kleid, sein Stoff schlang sich wie Kunststofffolie um meinen Torso. Der Drang, nach Hause zu kommen schob mich den Weg entlang. Ich konnte nicht anders als schnell gehen, mit den in meinen Ohren oder meinem Kopf nachhallenden Noten, der Säure im Magen, die sich langsam auflöste, den ganzen Schnörkeln und Spiralenformen des Abends. Es war mir, als würde ich mich drehen. Ohne schwindelig zu werden, den Weg entlang und nach vor drehte ich mich im Kreis um diesen Abend. Mehr konnte ich mit ihm nicht anfangen. Ich bin wohl nicht richtig eingestiegen. Jedem Fenster, an dem ich vorbeigehe, drehe ich meinen Blick zu, will mich darin spiegeln sehen, im Gehen, und das, an dem ich vorbeigehe. Im Gleichklang mit dem Abend umhüllen mich unterschiedliche Abstufungen von Grau- und Schwarztönen. Aber ich kann mich noch bewegen. Geradeaus, mit einem leichten Drehgefühl.

Ich biege zum zweiten Mal ein und steife die Holzzäune, welche die gesamte Straße flankieren. Drahtgitter, die jeweiligen Grundstücke voneinander abgrenzend und dabei fast ganz durchsichtig. Wenn es hell ist, sehe ich unsere Nachbarin an den Zaun gelehnt stehen. Die Äpfelbäume in ihrem Garten tragen weißen Blüten, auch jetzt in der Dunkelheit sind sie vollkommen weiß. Ob sie uns heuer Äpfel schenken wird, letztes Jahr hat sie gezögert, gefragt, ob wir was damit anfangen können, wisse sie ja nicht, mein Vater oder ich, ob wir damit etwas machen könnten?, etwas backen vielleicht? Ja. Geschmeckt haben sie gut. Sie gab uns einen kleinen Kübel. Die anderen Nachbarinnen, haben sich einige Male über Apfelkuchenrezepte unterhalten, als ich morgens im Badezimmer war, ich habe ihre Unterhaltungen dort hören können, ihre Stimmen haben zu mir durch das verhangene Fenster gesprochen.

Ich greife nach dem Schlüssel in der linken Seitentasche meines Trenchcoats als ich ans Ende des Zauns komme. Das Grundstück unseres Hauses beginnt mit einer von Waschbetonplatten bedeckten Fläche, ich trete vor Garagentor und Haustür, die sich, aus demselben Holz gefertigt, dort präsentieren. Wie immer lasse ich meine Schuhe am Teppich stehen, mache zuerst im Flur, dann im Wohnzimmer und in der Küche Licht. Ich bin zu Hause, es ist still.

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